Es geht nicht nur um dich! 

Wieso sich öffentliche Kommunikation immer um Zielgruppen dreht 

Ein Gastbeitrag von Paul Emtsev 

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Die meisten von uns erfahren in ihrem Leben bestimmte öffentliche Auftritte, die uns mitreißen und überzeugen. Das mag im politischen Kontext sein, im geschäftlichen Umfeld oder vielleicht auf einer kulturellen Veranstaltung. Oft halten wir solche Ereignisse für schicksalhafte Begegnungen mit besonderen Menschen, die zufälligerweise unseren Geschmack treffen. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass wir genau in die jeweilige Zielgruppe passen. Warum das so ist, verrät Paul in seinem Blogbeitrag.

1. Kenne deine Zielgruppe!

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In den wenigsten Fällen geschieht öffentliche Kommunikation spontan. Der Normalfall ist minutiös vorbereitet und auf bestimmte Zielgruppen abgestimmt. Das ist auch der Grund, wieso unsere Daten auf dem Markt so viel wert sind: Man kann dadurch einfach viel besser mit uns kommunizieren! Google, Facebook & Co. haben sehr schnell das Potenzial von Zielgruppenanalysen für Unternehmen erkannt. Der Grundsatz, der hinter diesem Wirtschaftsmodell steckt, ist allerdings alt: Je besser man sein Publikum kennt, desto einfacher lässt es sich überzeugen.

Öffentliche Kommunikation lebt vom Wissen über die Zielgruppe. Es geht nicht darum, zu sagen, was man will, sondern vielmehr darum, das, was man will, so zu sagen, dass es die Zielgruppe versteht, interessiert und letztendlich überzeugt. Eine hervorragende Rede wird nie aus dem Bauch heraus gehalten, sondern nimmt viel Zeit und Überlegung in Anspruch. Dabei kommt es zu Überarbeitungen und Streichungen. Wenn man nur sagen wollte, was man denkt, könnte man sich diesen Aufwand durchaus sparen. 

2. Betrachte dich durch die Kundenbrille! 

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In der öffentlichen Kommunikation steht nicht der Sender der Botschaft im Mittelpunkt, sondern der Empfänger. Und nur weil man selbst gerne spricht, heißt das noch lange nicht, dass andere Menschen auch gerne zuhören. Die große Kunst guter Kommunikator*innen besteht darin, die eigene Botschaft aus der Perspektive des Gegenübers zu formulieren. 

 

Man kann das „philanthropischen Egozentrismus“ nennen, ein treffenderer Begriff wäre jedoch „zielgerichtete Empathie“. Ein solcher Perspektivenwechsel erfordert das Verlassen der eigenen Komfortzone. Und es verlangt Selbstdisziplin (nach vorhergehender ernsthafter Auseinandersetzung mit der jeweiligen Zielgruppe), die eigenen Botschaften nicht aus den Augen zu verlieren. Dieser Balanceakt zwischen Botschaft und Zielgruppe ist eine der großen Herausforderungen jeder erfolgreichen Kommunikation. Einerseits will man den Geschmack des Publikums treffen, andererseits aber auch eigene Akzente setzen. Das hat nichts mit mangelnder Glaubwürdigkeit zu tun! Ganz im Gegenteil: Je besser das Verständnis von der jeweiligen Zielgruppe ist, desto eher ist eine effektive Vermittlung authentischer Ideen und Gedanken möglich. 

 

Kommunikation wird häufig in eine Sach- und Beziehungsebene unterteilt. Während die Sachebene der reinen Informationsvermittlung dient, spielen auf der Beziehungsebene vor allem emotionale Faktoren eine Rolle. Jede Zielgruppe muss auf beiden Ebenen angesprochen werden. Natürlich sollten zunächst einmal die Inhalte das Interesse des Publikums wecken. Darüber hinaus sind aber auch Sprache und Stil entscheidend – dies gilt übrigens sowohl für die mündliche als auch für die schriftliche Kommunikation. Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, soziale Herkunft, kulturelle Aspekte oder auch persönliche Einstellungen sowie individuelles Wissen innerhalb einer Zielgruppe können zum Teil maßgeblich bestimmen, ob eine bestimmte Botschaft entsprechende Resonanz findet. Im öffentlichen Diskurs bedeutet das vor allem, Diversität mitzudenken und auch für sehr spezifische Zielgruppen möglichst inklusiv zu kommunizieren.

3. Sende auf der Frequenz deiner Zielgruppe! 

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Wer sich in der öffentlichen Kommunikation Gehör verschaffen will, der muss wissen, mit wem er spricht. Und wer verstanden werden will, muss eine verständliche Sprache sprechen. Je tiefer das Verständnis für die Andersartigkeit und Heterogenität ausgeprägt ist, desto größer ist das potenzielle Publikum. Unter Marketing-Expert*innen scheint sich diese Einsicht immer weiter zu verbreiten. In anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gibt es sicherlich noch Nachholbedarf. Viele Menschen machen es sich zwar zu ihrem Lebensmotto, dass es egal sei, was ihre Mitmenschen denken. In der Kommunikation geht es allerdings einzig und allein darum, was andere Menschen denken. Denn entscheidend ist immer das, was beim Empfänger ankommt. Und der einzige Gradmesser für die Verständlichkeit oder Überzeugungskraft ist das Publikum selbst. 

 

Die Beschäftigung mit Zielgruppen wird immer wieder als notwendiges Übel oder als Pflichtteil der Kommunikation betrachtet, der erledigt werden muss, ehe man sich wieder sich selbst und seinen eigenen Themen zuwendet. Tatsache ist aber: Wer seine Zielgruppe nicht versteht, der hat auch die Grundsätze der Kommunikation nicht verstanden. Solange die eigenen Überzeugungen nicht beim Gegenüber ankommen, betreibt man ausschließlich Selbstunterhaltung. Insofern können auch wir von „Big Data“ lernen und das Verständnis für Zielgruppen ins Zentrum zwischenmenschlicher Kommunikation rücken. 

 

 

Zum Gastautor: Paul Emtsev ist Kommunikationsberater, Trainer und Moderator. Auf seinem YouTube-Kanal erklärt er, wie gute Kommunikation gelingen kann.